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Vielfalt in Film und Fernsehen – Inklusives Filmprojekt mit Kindern und Jugendlichen

Vorwort

Der Wunsch nach Sichtbarkeit der Vielfalt in unserer Gesellschaft wächst. Menschen mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen und Geschlechtsidentitäten (Gender), junge Menschen, alternde Menschen, BIPoC (Black, Indigenous und People of Color), Menschen mit verschiedenen Weltanschauungen und Menschen mit Behinderungen sind Teil unserer diversen Gesellschaft. Wie vielfältig sind aber die Menschen vor und hinter den Kameras in Film und Fernsehen und welche Auswirkungen hat ihre Haltung und ihre Darstellung für die soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen?

Kinder und Jugendliche brauchen Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Dies gestaltet sich jedoch schwierig, wenn die vorhandenen Vorbilder nicht den Lebenswelten der jungen Menschen entsprechen, viele ihrer Vielfaltsmerkmale nicht abbilden und sie sich nicht mit ihnen identifizieren können.

In dieser Ausgabe der interaktiv plus dreht sich alles um das Thema „Vielfalt in Film und Fernsehen“. Es werden Methoden zur inhaltlichen Vermittlung von Vielfalt und zur kritischen Reflexion von Filmen mit und in Jugendgruppen vorgestellt. Zudem gibt es Impulse, wie Jugendliche ihre Vorstellungen von Vielfalt in Film und Fernsehen filmisch darstellen können.

Gruppe von Kindern und Jugendlichen umarmt sich im Garten, davor ein grüner Rahmen mit der Aufschrift 'Denn Filme sind für alle da'

Vor dem Projekt

Mit dem Projekt „Vielfalt in Film und Fernsehen – So wollen wir gezeigt werden“ sollen Teilnehmende für das Thema Diversität sensibilisiert werden. Dafür wird der Begriff der Vielfalt im Hinblick auf Rollenbesetzungen in Filmen analysiert und diskutiert, um so ein Verständnis für den Begriff entwickeln zu können. Vielfaltsdimensionen und Diskriminierungsmerkmale werden gemeinsam erarbeitet, anschließend wird ein Film auf diese hin überprüft und bewertet. Hierbei wird ebenfalls herausgearbeitet, wie die Teilnehmenden selbst dargestellt werden wollen und was für sie Vielfalt im Film bedeutet.

Für das Projekt sollten 4–6 Stunden angesetzt werden – inklusive Vor- und Nachbereitungszeit und abhängig von der Dauer des Films und vom Wissensstand der Teilnehmenden. Die Teilnehmendenzahl ist grundsätzlich nicht begrenzt. Sechs bis zehn Teilnehmende sind jedoch ideal, weil dann ein intensiver Austausch möglich ist. Der Betreuungsschlüssel hängt wie immer von den Teilnehmenden, deren Alter und Betreuungsbedarf ab. Bei einer Gruppe ab acht Personen kann es sinnvoll sein, das Projekt mit zwei Betreuungskräften durchzuführen.

Ebenso sollte im Vorfeld eine Altersspanne der Teilnehmenden festgelegt werden, da je nach deren Alter und Wissensstand die Methoden, die Filmauswahl und das Material angepasst werden müssen.

Folgende Technik wird benötigt:

  • Fernseher und DVD-Player oder Beamer und Laptop
  • Tablets
  • ggf. WLAN
  • App iMovie für iOS oder Videoschnitt-Apps für Android (z.B. inShot und CapCut, diese verfügen allerdings nicht über eine Trailer-Funktion)

Folgendes Material wird benötigt:

  • Plakate und/oder Flipcharts
  • Stifte, Marker
  • Hinweise zu Diskriminierungskategorien/Vielfaltsmerkmalen
  • Bewertungskarten: Punkte 1–10, Schulnoten 1–6 oder Ampelkarten grün, gelb, rot
  • WICHTIG! Einverständniserklärungen (bei Minderjährigen müssen diese von den Erziehungsberechtigten unterschrieben sein) für Bild- und Tonaufnahmen

Für das Projekt wird ein multifunktionaler Raum benötigt, wo der Film geschaut und an Tischen gearbeitet werden kann. Sollten Teilnehmende mit einer Seh- oder Hörbehinderung an dem Projekt teilnehmen, sollten Filme mit Untertitel oder Audiodeskription ausgewählt werden.

Für Teilnehmende mit Lernschwierigkeiten oder Schwierigkeiten in der Verständigung kann Einfache oder Leichte Sprache verwendet werden, und Schrift sollte mit Fotos oder Piktogrammen ergänzt werden. Die App iMovie eignet sich für inklusive Settings, da sie weitgehend sprach- und textfrei funktioniert und intuitiv aufgebaut ist.

Zudem sollten sich die Betreuenden im Vorfeld mit Vielfaltskategorien auseinandersetzen, um Hilfestellungen geben zu können. Hilfreich ist es auch, wenn der Film bereits bekannt ist, denn dann kann er noch mal mit „anderen Augen“ geschaut werden.

Im nachfolgenden Leitfaden wird auf die App iMovie für iOS Bezug genommen, da es für Android derzeit keine vergleichbare App mit Trailer-Funktion gibt.

Leitfaden zur Durchführung der Projektidee

  • Kurzes gegenseitiges Kennenlernen der Teilnehmenden.
  • Überblick über den Tag geben durch ein Plakat (Schrift kann durch Piktogramme und Bilder ergänzt werden).
  • Vorstellung der Bewertungskarten, welche an die Teilnehmenden angepasst werden sollten. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten der Bewertung. Vergabe von Punkten von 1–10, 1 Punkt = schlecht und 10 Punkte = super; Nutzung von Ampelkarten: grün = guter Film, gelb = mittelmäßiger Film, rot = kein guter Film; Orientierung an Schulnoten von 1–6.
  • Ist der Film bereits bekannt und wurde von allen Teilnehmenden geschaut, kann die erste Bewertung ohne Blick auf Vielfalt stattfinden und angepinnt oder aufgeschrieben werden.

Was ist eigentlich Vielfalt?
Als Erstes können der Gruppe die Fragen gestellt werden, was für sie Vielfalt generell ist und insbesondere, was für sie Vielfalt im Film bedeutet. Die Ergebnisse können auf einem Plakat oder einem Flipchart gesammelt werden.

Vorstellung von Vielfaltskategorien
Hier sollte eine Erklärung erfolgen, dass es einige Merkmale innerhalb der Kategorien gibt, wegen denen Menschen Benachteiligung erfahren und diskriminiert werden. Zu jeder Vielfaltskategorie können mit der Gruppe vielfältige Merkmale gesammelt werden. Hierzu können die Kategorien auf DIN-A4-Blätter geschrieben und durch Merkmale ergänzt werden:

  1. Geschlechtliche Identität: divers, weiblich, männlich, trans*, inter*, nicht-binär …
  2. Ethnische Herkunft: schwarz, People of Colour, BIPoC, weiß …
  3. Behinderung und chronische Erkrankung: Körperbehinderung, Lernschwierigkeiten, Autismus …
  4. Sexuelle Orientierung: heterosexuell, homosexuell, asexuell, bisexuell, pansexuell …
  5. Religion und Weltanschauung: Christentum, Islam, Buddhismus …
  6. Körperformen: groß, klein, breit, schmal …
  7. Sozialer Status und Familienstand: reich, arm, ledig, adoptiert …
  8. Alter: jung, erwachsen, alt …

Alternative
Sollten Teilnehmende mit Lernschwierigkeiten anwesend sein oder nimmt eine jüngere Gruppe teil, können anstelle von Kategorien auch einzelne Merkmalbilder/Merkmalpiktogramme ausgewählt werden. Hierbei ist eine natürliche Beschränkung notwendig, da nicht alles in Piktogrammen oder Bildern dargestellt werden kann.

Alle schauen gemütlich den Film. Popcorn und Getränke sind dringend empfohlen für das richtige Kinogefühl, denn der Film soll Spaß machen.

Folgende Filme wurden im Rahmen des Projekts bereits erprobt:

  • Systemsprenger, FSK 12, 120 Minuten
  • Ziemlich beste Freunde, FSK 6, 116 Minuten
  • Wunder, FSK 0, 114 Minuten
  • Verstehen Sie die Béliers?, FSK 0, 106 Minuten
  • Wo ist Fred?, FSK 12, 107 Minuten

  • Auf einem Plakat werden jetzt alle Vielfaltsmerkmale, die der Film geboten hat, aufgeschrieben. Hierbei können die zuvor besprochenen Vielfaltskategorien als Orientierungspunkte dienen.
  • Nachdem alle Vielfaltsmerkmale aufgelistet wurden, kann die Frage nach Benachteiligung von Personengruppen gestellt und abschließend die Frage bearbeitet werden, wie viel „Vielfalt im Film“ eigentlich vorhanden war.
  • Um den Film zu bewerten, empfehlen sich die gleichen Bewertungskarten, die zu Beginn genutzt wurden.

  • Im Anschluss an die Filmreflexion haben die Teilnehmenden einen guten Überblick darüber, was sie von einem Film erwarten, in dem Vielfalt repräsentiert werden soll.
  • Je nach Anzahl der Teilnehmenden können diese nun in zwei bis drei Kleingruppen aufgeteilt werden.
  • Jede Gruppe stellt sich dann die Fragen: „Wie wollen wir im Film gezeigt werden?“ und „Wie sähe der perfekte Trailer für einen vielfältigen Film aus?“
  • Im Anschluss kommen die Gruppen wieder zusammen und tauschen ihre Ideen aus.
  • Alle Teilnehmenden entscheiden dann zusammen, welche Idee umgesetzt werden soll. Diese wird unter Umständen noch gemeinsam optimiert. Anschließend wird in der App iMovie der eigene Trailer zu „Vielfalt im Film – So wollen wir gezeigt werden“ erstellt.

Zum Abschluss schaut die gesamte Gruppe den fertigen Trailer und entscheidet, ob dieser auf einer Social-Media-Plattform veröffentlicht werden soll. Außerdem sollte eine Reflexion des Tages nicht fehlen. Mögliche Impulse können sein: „Was habe ich heute Neues gelernt?“, „Was hat mir Spaß gemacht?“ oder „Was muss ich unbedingt weitererzählen?“

Links, Tipps und Fazit

Sinnvoll ist es immer, sich im Vorfeld mit politisch korrekten Begriffen auseinanderzusetzen und diese begründen zu können. Beim Workshop „Vielfalt in Film und Fernsehen“ geht es neben der Bewertung von Filmen auch um die Reflexion der eigenen Haltung.

Einfache Sprache und die zusätzliche Verwendung von Fotos und Piktogrammen kommen allen Teilnehmenden zugute, denn dadurch wird ein inklusives Miteinander geschaffen, in dem Vielfalt möglich wird. Sinnvoll ist außerdem die Untertitelfunktion, und es ist immer eine gute Option, auch eine Audiodeskription anzubieten.

Um eine Veröffentlichung möglich zu machen, müssen Einverständniserklärungen von allen Teilnehmenden eingeholt werden. Bei Minderjährigen müssen diese von den Erziehungsberechtigten unterschrieben sein.

Filmausleihe:
https://bjf.clubfilmothek.de

Beispiele aus dem Projekt:
www.medienarbeit-nrw.de/bjf/

In einer vielfältigen Gesellschaft ist es unabdingbar, für Diversität zu sensibilisieren und diese zu fordern. Mit dem Projekt „Vielfalt in Film und Fernsehen – So wollen wir gezeigt werden“ wird nicht nur für Vielfalt im Film sensibilisiert. Darüber hinaus setzen sich die Teilnehmenden auch aktiv damit auseinander, was für sie selbst Vielfalt im Film bedeutet, und sie können ihre Vorstellungen in einem eigenen Trailer zum Ausdruck bringen.

Bianca Rilinger
ist B.A. in Heil- und Inklusionspädagogik und leitet die Inklusive OT Ohmstraße in Köln-Porz, eines unserer Kompetenzzentren für Inklusive Medienarbeit im Verbund von nimm!, dem Netzwerk Inklusion mit Medien.

Sie ist nimm!-Inklusions-Scout und hat unsere einjährige Weiterbildung absolviert. Ein besonderes Augenmerk ihrer Arbeit liegt auf den Themen Inklusion und Diversität. Ihr Ziel ist es, allen Menschen Teilhabe durch Medien zu ermöglichen.

Bianca Rilinger