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VR-Brillen und 3D-Welten in der Jugendmedienarbeit

In einigen Privathaushalten sind 3D-Brillen wie Oculus Rift, HTC Vive und andere längst angekommen. Dennoch eignen sie sich bisher nur bedingt für den Einsatz in der Jugendmedienarbeit, denn die Anschaffungskosten sind nach wie vor immens. Ob sich dies mit der neuesten Gerätegeneration (günstiger, z. T. nicht mehr kabelgebunden) ändern wird, bleibt abzuwarten. Damit Jugendliche trotzdem erste Erfahrungen im Erschaffen und Bereisen virtueller 3D-Welten machen können, bieten sich kostengünstige Alternativen zum Selbermachen an. In dieser interaktiv plus wird daher die Praxis vorgestellt, mit einfachen Mitteln eigene VR-Brillen zu basteln, in welche die persönlichen Handys eingelegt werden können. Damit steht einem ersten Ausflug in die virtuelle Realität nichts mehr im Wege. Ebenso wird eine Möglichkeit aufgezeigt, wie sich effektiv und schnell eigene 3D-Welten erschaffen lassen.

Tipps: Wichtig ist, bei der Arbeit mit Fotos und sensiblen Daten auf die Persönlichkeitsrechte und den Datenschutz zu achten. Mehr Informationen gibt es z.B. auf den Seiten des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg www.lmz-bw.de/medien-und-bildung/medienwissen/virtual-und-augmented-reality/

Titel der interaktiv plus, Nahaufnahme eines blauen Auges

Projektideen

Zielgruppe Kinder und Jugendliche ab 10 JahrenZeitbedarf von 90 Minuten bis 1 TagDas wird benötigt:

  • Pappkarton (Pizzakarton)
  • Schnittbögen
  • Nahtmarkierer
  • 2 Plastiklinsen pro Brille (www.epic-stuff.de)
  • Cuttermesser und Sprühkleber
  • zur Benutzung je ein Smartphon

Auf der Projektwebsite www.medienundbildung-rlp.de/projekte/projektarchiv/mein-guckkasten/ wird ein kostenloses Konzept für den einfachen und kostengünstigen Selbstbau von Papp-VR-Brillen zur Verfügung gestellt. Das Konzept kann bei medienpädagogischen Workshops eingesetzt werden und bietet einen idealen Einstieg ins Thema. Beim Guckkasten-Bau wird das Zukunftsthema Virtual Reality mit Schere und Klebstoff erarbeitet, um es zu verstehen und zu begreifen. Die Brille kann auch mit Schüler- und Jugendgruppen gebaut werden, ohne dass man dafür komplizierte Rundungen oder passgenaue Steckverbindungen ausschneiden muss.

Ablauf

Vorab muss die Bastelvorlage aus dem Downloadbereich auf mein-guckkasten.de heruntergeladen und ausgedruckt werden. Diese Vorlage wird mithilfe von Fixiersprühkleber auf Karton geklebt und im Anschluss mit einem Kartonmesser ausgeschnitten. Die Falzlinien werden mit einem Nahtmarkierer perforiert und können anschließend gefaltet werden. Die Bauanleitung erklärt auch den letzten Schritt ganz genau – das Einkleben der Plastiklinsen. Linsensets können z. B. bei www.epic-stuff.de bestellt werden. Wenn alles gut getrocknet ist, ist die selbst gebastelte VR-Brille einsatzbereit und kann mit Apps wie Google Cardboard oder Dive City Rollercoaster (beides Android) verwendet werden. Auf der Internetseite des Guckkastens finden sich neben den Bastelbögen in verschiedenen Größen (je nach Alter) auch eine detaillierte Bauanleitung sowie weitere Tipps und Methoden zum Einsatz rund um die selbst gebauten Brillen.

Erste Einsatzmöglichkeiten

Ein guter erster Einblick in die Möglichkeiten der eigenen VR-Brille bietet sich mit dem Erstellen und Austauschen von eigenen 360°-Panorama-Aufnahmen. Dazu wird die Street-View-App auf dem Handy benötigt. Wenn die App auf dem Handy installiert ist, öffnet man sie und tippt auf das Symbol „Erstellen“. Man tippt das Symbol mit der Kamera an und erstellt eine Reihe von Fotos. Nach dem Drücken des Symbols „Fertig“ wird automatisch eine 360°-Panorama- Aufnahme produziert und unter den eigenen Bildern abgespeichert. Diese lässt sich mithilfe der Google Cardboard App im Guckkasten öffnen, und man erhält die Möglichkeit, sich in diesem Panorama selbst umzuschauen. Natürlich lassen sich die Bilder auch versenden und austauschen, sodass sich die Jugendlichen z. B. gegenseitig ihre Lieblingsplätze zeigen können.

3D-Welten selber machen

Zielgruppe Kinder und Jugendliche ab 8 JahrenZeitbedarf 45 Minuten bis mehrere ProjekttageDas wird benötig:

  • Laptop/PC
  • Internetanschluss
  • optional eine VR-Brille (z. B. Google Cardboard oder der Guckkasten (s.o.) sowie ein Smartphone)

Die Webapplikation CoSpaces (https://cospaces.io/edu/) versetzt die Nutzer in die Lage, eigenständig, schnell und leicht 3D-Umgebungen zu gestalten, die im Anschluss mithilfe einer VR-Brille selbst durchlaufen werden können. So kann innerhalb von Minuten z. B. eine virtuelle Bildergalerie erstellt werden, die danach für eine virtuelle 3D-Führung zur Verfügung steht.

Ablauf

Zu Beginn muss man sich bei der Website anmelden. In der kostenlosen Grundversion ist es dann möglich, einen Klassenraum zu erstellen, in den man bis zu 29 Teilnehmende einladen kann. Diese müssen ebenfalls einen Account bei CoSpaces besitzen, der ist in der Grundversion kostenlos vorhanden. Diese Klassenräume werden Spaces genannt. Zu diesem Zweck generiert die Website einen spezifischen Zutrittscode für alle Teilnehmenden. Beim vorliegenden Beispiel, dem Erstellen einer virtuellen Bildergalerie, entscheiden sich die Schülerinnen und Schüler zunächst für einen zum Projekt passenden Hintergrund, der dem erstellten Space hinzugefügt wird. Dabei lässt sich auf eine kleine Anzahl an vorgegebenen Hintergründen zurückgreifen. Alternativ kann ein 360°-Panoramafoto hochgeladen und verwendet werden.

Als Nächstes erhält die Galerie Wandelemente, indem im Bau-Menü der Web-App ein durchsichtiger Quader ausgewählt und per Drag-and-drop in den Space gezogen wird. Dieser lässt sich beliebig in der Größe verändern und in allen Dimensionen ausrichten. Mit dem „Anbringen“-Befehl, den man durch einen Rechtsklick auf ein Mauerelement aufruft, lassen sich die einzelnen Wandelemente dann leicht im rechten Winkel zueinander aufstellen, sodass der Eindruck eines nach oben offenen Gebäudes entsteht. Ebenfalls per Rechtsklick auf ein Wandelement kann man den „Pinsel“-Befehl auswählen, der eine kleine Anzahl an Strukturen bietet, die als Wandverzierung genutzt werden können. So kann beispielsweise die Wand wie eine Ziegelmauer aussehen. Im vorliegenden Beispiel kann man den Teilnehmenden die Möglichkeit geben, dass man für sich einen eigenen Raum der Galerie gestaltet. Diese Räume können untereinander mit „Fluren“ verbunden werden.

Um die Bilder in der Galerie aufzuhängen, werden die entsprechenden Dateien zuerst von den Teilnehmenden hochgeladen und per Drag-and-drop in ihren Galerie-Raum gezogen. Wie bereits zuvor lässt sich die Größe beliebig verändern; sie ist lediglich von der Auflösung der Ausgangsdatei abhängig. Die Hängung der Bilder ist simpel mit dem „Anbringen“-Befehl per Rechtsklick möglich. Abschließend, wenn die Räume der Galerie fertig sind, wird der Space gespeichert und kann veröffentlicht werden, sodass die Teilnehmenden ihn entweder im Browser des Computers oder mit einer VR-Brille und dem eigenen Smartphone begehen können.

Alternativen

Neben der Möglichkeit, eine Bildergalerie zu gestalten, bietet CoSpaces aber noch einiges mehr. So kann aus einer Reihe bereits fertiger 3D-Objekte ausgewählt werden, um ganze 3D-Umgebungen schnell entstehen zu lassen. Ein Haus, in dem ein pinkfarbenes Einhorn steht, ist beispielsweise im Handumdrehen erstellt. Sind 3D-Welten erschaffen, können den einzelnen Objekten auch Eigenschaften gegeben und mithilfe einer Blockly-Programmiersprache Befehle zugewiesen oder feststehende Abläufe programmiert werden. Damit sind es dann nur wenige einfache Schritte, um das pinkfarbene Einhorn auf Knopfdruck durch das Dach fliegen zu lassen. Gerade durch diese Möglichkeiten ist CoSpaces geeignet, nicht bloß in einer kurzen Einheit genutzt zu werden, sondern auch über mehrere Tage hinweg, in denen die Teilnehmenden gemeinsam an einer 3D-Welt bauen und deren Inhalte animieren und programmieren.

Tipp: Das Arbeiten mit CoSpaces erfordert nicht viel Vorwissen, und die Anmeldung ist schnell vollzogen. Die Bedienung ist selbsterklärend, und gerade gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen ist es toll, die Möglichkeiten (auch wenn sie in der Grundversion beschränkt sind) zu nutzen.

Hinweise

Die vorgestellten und erprobten Methoden zeigen sehr gut auf, wie einfach der Einstieg in die Erstellung eigener virtueller Welten sein kann. Neben dem Arbeiten am PC oder mit dem Handy ist vor allem auch der Aspekt des Selbermachens beim Basteln der VR-Brillen nicht zu verachten, bietet er doch eine ideale Verbindung zum Making-Bereich, der in der Jugendmedienarbeit mittlerweile an Bedeutung gewinnt. Eine Weiterentwicklung der vorgestellten Methoden wird im Bereich Augmented Reality (AR) ist zu finden. Hierbei werden z. B. mithilfe von Apps computeranimierte Grafiken in die echte Welt projiziert. Ein sehr bekanntes Spiel aus diesem Bereich ist Pokémon Go; aber auch Harry Potter: Wizards Unite und selbst die Sets von LEGO Hidden Sides nutzen diese Technik. Erste eigene Erfahrungen beim Erstellen von AR-Grafiken lassen sich z. B. mit der App Quiver sammeln, die gut geeignet ist, um Kindern und Jugendlichen einen Einblick in diese Technik zu ermöglichen.

Daniel Zils
Medienpädagoge bei medien+bildung.com seit August 2007, hauptsächlich in der Lernwerkstatt Schule aber auch in den Lernwerkstätten Kita, Jugendbildung und Erwachsenenbildung.

 

 

 

Daniel Zils