In drei Schritten zum Webradio
Anleitung zum Selbermachen
Vorwort
Das Radio und das Musikhören spielen in der Zeit des Erwachsenwerdens eine wichtige Rolle. Viele Jugendliche können sich vorstellen, selbst Radio zu machen. Das Internet bietet sich als einfaches und kostengünstiges Verbreitungsmedium für ein eigenes nicht kommerzielles Webradio an. Das Webradio ist im Vergleich zum Studentenradio, Bürgerfunk oder dem Lokalfunk erst einmal komplett frei indem, was es macht. Das Programm kann zu 100 % selbst bestimmt werden, und es gibt kaum Einflussfaktoren, die Inhalte regulieren.
In der ersten Ausgabe der interaktiv plus erklären wir, welche Dinge bei der Vorbereitung, der Umsetzung und dem Betrieb zu beachten sind. Neben Lizenzen, einer anspruchsvollen Internetpräsenz, der passenden Musikauswahl und der Öffentlichkeitsarbeit gibt es nämlich noch viele weitere Punkte, die bedacht werden sollten. Wer die Tipps in diesem Ratgeber berücksichtigt, kann eine Grundlage für einen qualifizierten nicht kommerziellen Radiobetrieb im Internet schaffen.
Da sich Bestimmungen und rechtliche Vorgaben ändern können, übernehmen wir keine Gewähr für die gemachten Angaben.

Die Planung
„Lass uns doch ein Webradio gründen!“ – damit beginnen tatsächlich viele Neugründungen, ohne dem großen Aufwand Beachtung zu schenken, der damit verbunden ist. Sinnvollerweise sollte zuerst ein Konzept erstellt werden. In diesem werden alle Eckdaten des Projekts beschrieben, damit für jeden klar ist, was das gemeinsame Ziel ist und warum welcher Schritt notwendig ist.
- Was wollen wir erreichen? (Ein junges Radioprogramm, eine wöchentliche Show, was soll uns auszeichnen?)
- Wie wollen wir das erreichen? (Was brauchen wir dafür? Wie viel Personal? Welche Technikkaufen wir? Wer muss uns unterstützen?)
- Bis wann wollen wir das erreichen? (Wann müssen die Vorbereitungen abgeschlossen sein? Wann ist Sendestart?)
- Wen wollen wir damit erreichen? (Wer ist unsere Zielgruppe, wie viele Hörerbrauchen wir, damit sich das Projekt lohnt?)
- Worum geht es in unseren Sendungen? (Veranstaltungstipps, Nachrichten aus Politik/Wirtschaft, Klatsch und Tratsch, Musik)
- Wo könnte es Probleme geben und wie werden sie gelöst?
Auch das Angebot eines nicht kommerziellen Webradios verursacht Kosten. Will man aktuelle Hits aus den Charts spielen, sind diese in der Regel GEMA zahlungspflichtig. Zur Verwendung von Musik, die über eine Creative-Commons-Lizenz lizenziert ist, gibt es unten Tipps. Exemplarisch zeigen wir rechts auf, wie hoch Kosten für Musik, Lizenzen und Server monatlich ungefähr anfallen, wenn man mit GEMA-lizenzierter Musik arbeitet.
Tipp:
Die Kosten der GEMA und der GVL werden nach Hörerreichweite gestaffelt. Vorab sollte man mit GEMA und GVL auch die Frage der Werbeeinnahmen und die entsprechenden monatlichen Entgelte hierfür klären.
Tipp:
Das Konzept ist der Leitfaden zur Umsetzung, auf das man sich bei allen Schrittendes Projekts beruft. Deswegen ist es sehr wichtig, sich nach jedem Satz zu fragen: „Warum eigentlich?“ und die Begründung aufzuschreiben. So entsteht ein umfassendes Konzept, das keine Fragen offen lässt. Außerdem sollte in dem Dokument nicht werbend geschrieben werden. Es soll ein Planentwickelt werden – keine Werbung.
Dagegen steht eine schwierige Einnahmesituation: Die Kosten gehen nämlich von einem nicht kommerziellen Radio aus. Das bedeutet, dass keine Einnahmen erzielt werden dürfen. Um das Webradioprojekt zu finanzieren, werden also Sponsoren, freiwillige Spenden, Mitgliedsbeiträge und gegebenenfalls Fördergelder benötigt. Das sollte in das Konzept einfließen. Wer Werbung einspielen möchte, muss mit etwa den doppelten Gesamtkosten rechnen.

Die Umsetzung
Senden können nur, wer auch eine zentrale Redaktion bzw. ein Sendestudio aufbaut. Das geht von einemeinfachen Laptop mit Mikrofonanschluss aus bis zum Studiokomplex mit mehreren Computern, Monitoren und Mikrofonen. Um ein sendefähiges Studio technisch einzurichten, kommt man mit folgender Hard- und Software(Kosten ca. 510 €) gut aus:
- Computer 1 für Musik – gebraucht ca. 60 Euro
- Mikrofone – neu ab ca. 60 Euro
- Mischpult – neu ca. 300 Euro
- Computer 2 – gebraucht ab ca. 60 Euro
- Software zum Musikabspielen und Streaming-Software, z.B. Radiobattler (beides inkl.) – kostenlos
- Kabel – neu ca. 30 Euro
Teuer ist nicht immer besser. Wer zwei Laptops, ein kleines Mischpult und zwei Mikrofone hat, der ist für die meisten Einsätze schon sehr gut vorbereitet. Beim Studiobau gibt es viele Vorurteile, welche Technik „total verrauscht“ ist und was das „Nonplusultra“ ist. Fakt ist: Es gibt nur wenig wirklich schlechte Technik. Viel falsch machen kann man dabei nicht.
Tipp:
Natürlich muss das Studio auch irgendwo stehen. Oft unterstützen Jugendzentren oder das lokale Bürgerradio junge Radiomacherinnen und Radiomacher mit Räumlichkeiten, die für wenig Geld zu haben sind.
Mit dem Kauf einer CD oder Musikdatei schließen Käufer und Verkäufer einen Vertrag ab. Dabei erwirbt der Kunde ausschließlich das Recht, die Musik privat anzuhören. Bei einer weiteren (öffentlichen) Nutzung ist das Urheberrecht zu beachten. GEMA und GVL regeln die Ansprüche der Komponisten, Textdichter, ausübenden Künstler und Tonträgerproduzenten (Kosten vgl. oben). Beim Betrieb eines Webradios können die gekauften CDs nach dem Erwerb entsprechender Lizenzen der GEMA und der GVL im Internet zugänglich gemacht oder gesendet werden.
Wichtig!
Beim Kauf von Musik bei iTunes, Amazon und Co. werden automatisch die Nutzungsbedingungen akzeptiert. Diese AGB untersagen eine gewerbliche bzw. öffentliche Nutzung der Musikdateien. Im Klartext bedeutet das, dass diese Musik auf keinen Fall im Webradio ausgestrahlt werden darf.
Grundsätzlich ist die Pflicht, bei sämtlichen Beteiligten einer Aufnahme eines musikalischen Werks eine Nutzungsgenehmigung einzuholen und eine Vergütung zu zahlen, durch das deutsche Urheberrecht bedingt und insofern unabhängig von der Mitgliedschaft der Beteiligten in einer Verwertungsgesellschaft (VG).
Wichtig ist die Unterscheidung der verschiedenen Rechteinhaber: Während die Autoren der Musik und der Texte als Urheber von der GEMA vertreten werden, werden die Leistungsschutzrechte der Interpreten sowie auch des Labels von der GVL wahrgenommen. Da im Falle kommerziell verwerteter Musik in der ein (oder mehrere) Musikverlag(e) die Rechte der Autoren verwerten, müssen auch von allen Verlagen Nutzungsgenehmigungen vorliegen.
Bei Musikern und musikalischen Urhebern, die nicht Mitglied einer VG sind, kann man ggf. direkt Nutzungslizenzen erwerben. Die Kosten sind in diesem Fall, anders als bei den VGs, frei verhandelbar, können also zwischen unerschwinglich und null liegen. Ein Beispiel für Nicht-VG-Repertoire sind Creative-Commons-Lizenzen. CC-Lizenzen beinhalten ein recht klar umrissenes Paket von Nutzungsrechten, an das man sich unbedingt halten sollte.
Mit allen Rechteinhabern, die weder CC- noch VG-lizenziertes Repertoire anbieten, müssen individuelle Vereinbarungen ausgehandelt werden. Vielfach wird dazu eine schriftliche Nutzungsgenehmigung unter Angabe konkreter Bedingungen ausreichen. Im Netz gibt es Portale, die „GEMA-freie“ Musik anbieten. Achtung: Damit ist keine „Lizenzfreiheit“ verbunden, denn so etwas ist laut Gesetz nicht möglich! Es empfiehlt sich daher, die Seriosität der Anbieter zu überprüfen.
Siehe hierzu auch unsere Publikation zum Thema GEMA-freie Musik:
medienarbeit-nrw.de/angebot/publikationen/schriften-zur-lokalen-medienarbeit/

Ein ansprechender Webauftritt ist heutzutage sehr wichtig, denn er entscheidet mit darüber, ob Hörerinnen und Hörer ins Programm hören oder nicht. Jeder Sender muss selbst die Entscheidungen treffen, was er auf dieser Seite anbietet: Informationen zum Sender? Aktuelle Nachrichten? Beiträge zum Nachhören? Bilder und Zusatzinformationen zu den Berichten? Wenn das klar ist, gibt es für jeden Anspruch die passende Software. Für Nachrichten eignet sich beispielsweise das System WordPress.com. Außerdem gibt es Wix.com oder – im Radiobereich üblich, aber aufwendiger –Typo3. Es gibt keine Komplettlösung für die Internetseite.
Tipp:
Die meisten Webradios senden über das System Shoutcast. Dieses muss aber auf einem Server installiert werden und ist nicht leicht einzurichten. Deswegen gibt es Anbieter wie streamplus.de, der einen fertigen Radiostream bietet, auf den das Studio sich nur noch verbinden muss, um den Ton zu übertragen. Außerdem kann dort auch eine Internetseite gestaltet werden. Sicherlich eine gute Alternative für Gruppen, die mit Servern und Webseiten nicht vertraut sind.
Die Musik zeichnet einen Sender heute in den meisten Fällen nicht mehr aus. Während viele vor einigen Jahren – oder auch heute noch – mit der besten Musikgeworben haben, klingen die meisten Sender mittlerweile gleich. Das ist nicht schlimm, sie wollen ja auch viele Hörerinnen und Hörer erreichen. Viel mehr Wert sollte deswegen auf den Inhalt und auf die Sendungen gelegt werden.
Folgende Fragen sollten helfen, um einen Sendeplanzu erstellen:
- Worum geht es in unseren Sendungen?
- Wie viele Menschen brauchen wir? Zwei Moderatoren, einen Techniker, zwei Redakteure?
- Was muss vorbereitet werden? Wie oft KÖNNEN wir überhaupt senden?
- Wer übernimmt die Leitung? Gibt es jede Woche einen anderen „Chef“?
- Wann treffen sich alle zur Redaktionskonferenz?
- Welche Termine gehen nie/oft/selten?
So könnte ein Sendeplan aussehen:
Montag
14-16 Uhr: Wochenstart – Veranstaltungstipps zu alle, was diese Woche wichtig ist.
16-18 Uhr: Feierabend – Nach der Schule stellen wir dir die coolsten Ideen für den Feierabend vor.
Dienstag
14-16 Uhr: Die Heavy-Metal-Show – Mal etwas komplett anderes. Michael stellt die neuesten Songs aus dem Bereich Heavy Metal vor.
16-18 Uhr: News Update – Alles Wichtige aus der Welt präsentieren wir in dieser Sendung.
Hinweis:
Sendungen können ein spezielles Thema haben oder sind „Magazinsendungen“. Sie haben also mehreren Themen.
Ein Sender sollte sich entscheiden, ob die Namen zu den Shows passen müssen oder ob allgemeine Namen wie z.B. „Am Nachmittag“ besser sind.
Ein Sender ohne Moderation und Nachrichten würde wenig Sinn machen, doch wie eine richtige Moderation funktioniert, das wissen viele gar nicht. Denn Radio machen ist mehr als bloß „ein bisschen Reden“. Wichtig ist die Themenauswahl. Bei der Flut an Informationen, die uns jeden Tag trifft, sollten Moderatoren und Redakteure sich immer fragen, was sie in diesem Moment am wichtigsten finden: Was betrifft Hörer*innen am meisten? Welche Information ist unwichtig?
Hier ein Beispiel für Moderationen und Nachrichten:
Einstieg
Moderation: Hinhörer, Zitat, Neuigkeit, Ton – Die Aufmerksamkeit der Hörer*innen bekommen, die gerade noch im Rausch der Musik die Luftgitarre schwingen.
Nachricht: Eine Nachricht startet immer mit der wichtigsten Information: „In Köln startet heute der Christopher Street Day zum x-ten Mal.“
Hauptteil
Moderation: W-Fragen – Alle Informationen zum Thema
Nachricht: Wie ein Filter werden die Informationen jetzt immer unwichtiger. So kann später gekürzt werden. Quelle–>Hintergrundinfos–>Folgen
Schluss
Moderation: Zusammenfassung und Überleitung zur Musik
Nachricht: Ausblick oder Vergleich mit anderen Ereignissen. das eben Gesagte für Hörer*innen einordnen.
Moderation: insgesamt ca. 90 Sekunden
Nachricht: insgesamt ca. 30 Sekunden
Der laufende Betrieb
Nach der Installation des Betriebsablaufs wird es wichtig sein, die Qualität des Senders in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Es bietet sich z. B. an, turnusmäßig Feedbackrunden mit allen zu machen und Sendungen stichpunktartig anzuhören.
Beim Durchhören der Sendung kann sich die Gruppe beispielsweise in drei Teams teilen und die Moderationen auf den journalistischen Anspruch, die Dynamik und die Struktur untersuchen.
Journalistischer Anspruch: Alles sauber recherchiert? Bleiben Fragen offen? Gut erklärt?
Dynamik: Passt alles zusammen? Stimme und Musiklautstärke einheitlich? Übergänge flüssig?
Struktur: Themen richtig gesetzt? Passt die Stimmung zum Thema? Spannende Einstiege?
Das sollte mindestens einmal monatlich erfolgen, damit eine stetige Weiterentwicklung passieren kann.
Im Konzept für das Webradio steht genau, was das Radio erreichen möchte und wie das passieren soll. Deswegen ist es sehr leicht, daraus eine Botschaft für die Werbung zu finden und diese in die Welt zu tragen. Das Konzept beschreibt beispielsweise die Zielgruppe. Radiomacher müssen nun überlegen, wie sie diese Zielgruppe am besten erreichen und was diese Menschen interessiert. Wie würden sie an deren Stelle reagieren, wenn sie zum ersten Mal von diesem Radio hören würden?
Werbung kann z. B. klassisch durch Flyer, Visitenkartenund Plakate erfolgen, aber auch durch Posts in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und/oder Snapchat. Wichtig ist immer, dass die Plattform zur Zielgruppe passt und dass das Team, wenn es sich in die Zielgruppe hineinversetzt, an der geplanten Aktion selbst teilnehmen würde.
Z. B. Jingles gehören zum Thema Außendarstellung. Denn die kleinen „Werbespots für den Sender“, die zwischen der Musik gespielt werden, helfen dem Radio, das Programm eindeutiger zu machen. Hörer*innen bekommen immer wieder mit, dass sie genau den richtigen Sender eingeschaltet haben und da auch bleiben sollten, denn es gibt ja „den besten Mix aus Kulthits und dem Besten von heute“. Sinnvoll ist es, wenn sich eine Gruppe im Projekt extra um Jingles kümmert, denn die Produktion kann sehr aufwendig sein. Die Texte müssen geschrieben werden, die Aufnahmen geschnitten und mit Effekten verarbeitet werden.
Werbung ist nur dann gute Werbung, wenn sie das Radio so zeigt, wie es ist. Denn das ist das Besondere am Webradio: Es ist sehr nah an Hörer*innen, kann spezielle Interessen aufgreifen und muss keine Quoten erfüllen.
Simon Brinkmann ist selbst junger Radiomacher bei Radio Hitwave und hat bereits einige Webradios an den Start gebracht.
