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Prävention islamistischer Radikalisierung junger Geflüchteter in Social Media

Soziale Medien sind längst zu einem zentralen Raum extremistischer Ansprachen geworden. Islamistische Akteure nutzen Plattformen gezielt, um junge Menschen durch emotional aufgeladene Narrative, religiös kontextualisierte Identitätsangebote und geschickt inszenierte Inhalte zu beeinflussen. Gerade für junge Geflüchtete können solche Ansprachen in biografischen Umbruchsituationen eine besondere Relevanz haben – nicht, weil sie per se anfälliger wären, sondern weil Identitätskrisen, Männlichkeitsbilder und soziale Ausgrenzung potenzielle Anknüpfungspunkte für Radikalisierungsprozesse darstellen können.

Im Folgenden stellen wir Hintergrundinformationen, Texte und Materialien zur Verfügung, um sich dem Thema anzunähern.

Wir werden in Kürze weitere Materialien und Methoden für die praktische Arbeit mit den Jugendlichen vor Ort zur Verfügung stellen.

Begriffe und Definitionen

Im öffentlichen Diskurs werden Begriffe wie Radikalität, Radikalisierung und Extremismus häufig synonym gebraucht. Für die pädagogische Praxis ist jedoch eine präzisere Differenzierung entscheidend.

Radikalismus (lat. radix = Wurzel) beschreibt zunächst nur das „an die Wurzel gehen“. Es geht um grundlegende Kritik an bestehenden Strukturen oder Denkweisen. Radikalismus ist nicht per se gefährlich – er kann Ausdruck von politischem Engagement und Veränderungswillen sein (vgl. Ceylan/Kiefer 2018).

Radikalisierung ist ein Prozess, in dem sich Einstellungen und Haltungen zunehmend verfestigen und in eine extremistische Richtung verschieben können. Sie verläuft nicht linear, sondern ist individuell sehr unterschiedlich und häufig reversibel/umkehrbar (vgl. Neumann 2016).

Extremismus liegt etwa dann vor, wenn demokratische Grundprinzipien abgelehnt und intolerante, menschenfeindliche Haltungen vertreten werden. Typische Anzeichen sind ein absoluter Wahrheitsanspruch (siehe Infobox), die Abwertung anderer Lebensweisen und im Extremfall die Billigung oder Anwendung von Gewalt.

Radikalisierung als Prozess: Dynamik und Einflussfaktoren

Radikalisierung ist kein plötzlicher Zustand, sondern ein dynamischer Prozess. Er ist geprägt von Wechselwirkungen zwischen individueller Biografie, gesellschaftlichen Kontexten und Gruppenerfahrungen. Fachkräfte sollten sich dabei bewusst machen:

Jugendliche suchen Anerkennung, Orientierung, Gemeinschaft oder einfache Antworten in komplexen Lebenssituationen. Politische, soziale und persönliche Motive spielen ineinander.

Nicht alle Jugendlichen, die Diskriminierung erfahren, religiös sind und/oder Gewalt erlebt haben, radikalisieren sich. Ebenso bedeutet der Kontakt zu extremistischen Inhalten nicht automatisch Zustimmung.

Radikalisierung verläuft in Phasen und kann gestoppt oder umgekehrt werden. Pädagogische Arbeit kann präventiv, stabilisierend und „deradikalisierend“ wirken.

Pädagog*innen sind Radikalisierung nicht passiv ausgeliefert. Im Gegenteil: Durch Beziehungsarbeit, Empowerment und kritische Begleitung können sie wichtige Schutzfaktoren aufbauen.

Materialien, weiterführende Links und Literatur

  • Reflect your Past: – Webvideoreihe der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie hat das Ziel, jungen Menschen die Wirkungsweisen von Radikalisierungsprozessen anhand gelebter Geschichten näher zu bringen – mit Begleitmaterial
  • Mit Memes gegen Islamismus? – Arbeitshilfe (ufuq.de, 2019) mit Übungen zu Fake News, Hate Speech und Filterblasen.
  • Digital‑Salam.de – Unterrichtsmodule – Online‑Materialien zur Auseinandersetzung mit islamistischer Propaganda (u. a. Internet‑Dschihadismus, Islam in Deutschland, Frauenbilder).
  • Medienpädagogische Angebote für Geflüchtete – klicksafe stellt Apps und Medienprojekte vor, die die Integration junger Geflüchteter unterstützen.
  • Junge Menschen stärken – Radikalisierung vorbeugen – Medienpaket für Polizei und pädagogische Fachkräfte mit Materialien zu Identität, Diskriminierung und Medien.
  • Salafismus Online. Propagandastrategien erkennen – Manipulation entgehen. Materialien für Schule und außerschulische Jugendarbeit – 110‑seitige Broschüre mit Einordnungen und Materialien für die außerschulische Jugendarbeit
  • Glossar Islam und Islamismus – Begriffe kurz erklärt; zeigt, wie salafistische Akteure islamische Begriffe umdeuten.
  • Islamismus im Netz 2021/2022 – Lagebericht von jugendschutz.net über islamistische Onlinepropaganda und Gegenmaßnahmen.
  • Conflict – Sirae: Eine jugendliche Filmproduktion über Alltagsrassismus, Diskriminierung und islamistischen Rekrutierungsstrategien bei Jugendlichen mit Migrations- und Fluchterfahrung – mit Begleitmaterial
  • Jamal Al-Khatib: Online-Streetwork Projekt mit hochwertigen und themenbezogenen Videos zu islamistischem Extremismus – mit pädagogischem Bildungsmaterial
  • Protest, Provokation oder Propaganda? Handreichung zur Prävention salafistischer Ideologisierung in Schule und Jugendarbeit. ufuq.de
  • „Wie wollen wir leben?“ Methoden für die pädagogische Arbeit zu Islam, Antimuslimischem Rassismus und Islamismus. ufuq.de